Main-Echo, Montag, 04.04.2016
Zu gern möchte man wissen, wie alt die beiden sind, die da am Freitagabend wie späte Achtundsechziger auf der Bühne der Alten Knabenschule in Stockstadt stehen und mit wildem Herzen und wachem Verstand »Liebeslieder und andere Katastrophen« rocken.
Ganz offenbar sind sie in »Altersgeilzeit« - und damit auch alle gleich wissen, wo sie stehen, malen sie vor Beginn ihres eigentlichen Programms ein »musikalisches Triptychon«, in dem sie mit harten Rhythmen der Gitarre, nachdenklich und beinahe scheuem Spiel und schließlich befreiten Klängen die Blickwinkel jener, die von hier abhauen, jener, die zu uns kommen und jener, die hier sind, beschreiben: »Ich will meine Stadt nicht braun, ich will sie bunt und verrückt«.
Abschlaffen gilt nicht bei Ape & Feuerstein. Mit fröhlicher Power rasen die Dortmunder durch die irre Geisterbahn des Lebens und lassen gespenstische Hampelmänner wach werden. »Da steckt doch irgendwas dahinter« singen sie - und böse Ahnungen kommen auf von Politikfrost und Verrat.
Dabei wissen sie genau, dass sich alles nur um Weiber dreht. Nur wie und was und in ihrem Alter? Anmachen, abhauen, Schluss machen: »Ein Mann muss auf die Jagd, schießt er kein Reh, nimmt er die Magd. Ja, so läuft es eben in einem Männerleben, da geht so viel daneben«, räsonieren sie. Und denken mit Liebe an die Tochter. »Wie schön, dass du geboren bist.“ Aber nun sie mannbar ist: Er kann alles sein, Zuhälter, Christ, Hauptsache, dass er kein Bänker ist. Und am allermeisten tät’s weh, wär er in der FDP.«
Mit greller Komik, absurder Poesie und hoher Musikalität erschaffen Fred Ape und Guntmar Feuerstein, die seit 1988 zusammen spielen, ein subversives Wunderwerk, das feine Zärtlichkeiten urplötzlich in Kinnhaken verwandelt, Politikwissenschaftler vom Himmel in die Hölle befördert, in verquerer Ruhrgebietsromantik Rilke interpretiert und bizarre Formen der Liebe im Alter mit dem westfälischen Sprichwort »Alte Scheunen sind schwer zu löschen« kennzeichnet.
Wie alt die beiden sind? Auch am Schluss immer noch keine Ahnung. Sie aber singen unverdrossen: »Mit 70 hat man noch Träume, mit 80 fällt man noch Bäume, mit 90 erstmal beim Ironman, mit 100 beim Vaterschaftstest.«
Anneliese Euler